Zum Gedenken an René DAVID (1928-2015)

Verfasst von Jean DAVID (2015)

Zum Gedenken an René DAVID (1928-2015)

 

Mit dem Tod von René David ging ein erfülltes und erfolgreiches Leben als Reisender, Kunsthändler und Geniesser zu Ende.

Angetrieben von seiner Neugier und dem Drang, Grenzen zu erkunden, hat er sein Leben in vollen Zügen ausgekostet und seine Wegbegleiter immer wieder in Staunen versetzt.

Riehen
Seine Reise begann 1928 in Riehen bei Basel als drittes Kind einer gutbürgerlichen Familie. In der elterlichen Landvogtei heckte er so manchen Streich aus, an den er sich gerne erinnerte und was schon damals seinen Sinn für Humor vorausahnen liess, auch wenn die Betroffenen dies vermutlich anders sahen.

Seine Jugend war aber auch von den Ereignissen im angrenzenden Deutschland beeinflusst, die sicherlich für eine andere Wesensart von René prägend waren. Gedichte aus dieser Zeit zeugen von kritischen Gedanken und den Sehnsüchten eines sensiblen Denkers, der zunehmend gegen alles opponierte, was ihm nicht gefiel.

Die Schule in Basel fand keine Freude an diesem Querulanten und auch dem Internat am Rosenberg in St. Gallen gelang es nicht, den kritischen Verstand von René in aus derer Sicht geordnete Bahnen zu lenken. So kam es, wie es kommen musste. Es folgte früh der heftige und endgültige Bruch mit dem Elternhaus.

Basel
René, von nun an auf sich alleine gestellt, bildete sich zum Buchhalter und Treuhänder aus und sammelte unter anderem als Angestellter der Steuerverwaltung wichtige Erfahrungen, die ihm später halfen, seine Geschäfte finanztechnisch zu optimieren.

Nach kurzem Handel mit Baumaterialien interessierte sich René schnell für die schönen Dinge des Lebens. Er heiratete und gründete in Basel eine Galerie mit Antiquitäten und Kuriositäten. Die Galerie florierte, aber die erste Ehe scheiterte. Eine zweite Galerie folgte. Ebenso eine neue Liebe. In London heiratete er Denise, die er schon aus seiner Schulzeit kannte, und zu den zwei Kindern aus Denises zweiter Ehe, Claudine und Eva, gesellte sich 1961 Jean.

Afrika
Berichte seines Freundes Theo Gerber über dessen Afrikareisen weckten in René die Neugier für den schwarzen Kontinent, die schon seit dem Kontakt mit seinem Grossonkel Adam David (1872-1959) , dem schweizweit bekannten Zoologen, Afrikaforscher, Grosswildjäger und Publizisten, und Bruder von Jean Jacques David (1871-1908), ebenfalls Afrikaforscher, in ihm schlummerte.

Im Vorfeld der 1968er Jahre war Afrika, im speziellen das Land der Dogon, für junge Weltverbesserer eine interessante Alternative zur „klassischen“ Reise nach Indien mit den dortigen Tempeln, Gurus und bewusstseinserweiternden Substanzen.

Renés und Denises erste Reise nach Afrika galt dem Interesse an den Kulturen, den Gedanken, Wertvorstellungen und der Kunst der dortigen Völker. Die Freude am Vermitteln, gepaart mit der natürlichen Gabe des Handelns, führten jedoch rasch zu einigen mit Kunstwerken gefüllten Kisten für den Verkauf in der Schweiz.

Das dort Erlebte und der erfolgreiche Verkauf der mitgebrachten Objekte, z.B. auch an den berühmten Kunsthändler und Sammler Ernst Beyeler, liessen den „Afrika-Virus“ definitiv ausbrechen. Es folgten viele über mehrere Monate dauernde Reisen nach Mali, Kamerun, Kongo und der Elfenbeinküste, über die er immer wieder gerne zahllose Anekdoten erzählte. So führte z.B. die Reiseroute damals mit der Swissair mangels Direktflügen über Moskau. Auch der aus Basel nach Abidjan verschiffte Peugeot gehörte zu den wunderbaren Geschichten dieser vergangenen Epoche.

In diese Zeit fiel auch Renés Erkrankung an Bilharziose, die er am Schweizerischen Tropeninstitut in Basel als Versuchspatient erfolgreich behandeln liess. Der Name des Medikamentes setzte sich aus den Initialen des Forschers und Renés zusammen. Oder die drei Krokodile, die in Denises Handtasche nach Basel reisten, und als sie zu Hause zu gross wurden, dem Basler Zolli geschenkt wurden.

Paris – Berlin
Bald wurde den Davids Basel zu eng und nach einer einjährigen Auszeit und einer ausgedehnten Familien-Rundreise im Auto in die Türkei und kreuz und quer durch Europa bis in den hohen Norden Norwegens folgten sie dem Ruf nach Paris. Hier erfolgte die schriftstellerische Verarbeitung der vielen eindrücklichen Erlebnisse.

Zuerst im intellektuellen Milieu von Paris mit einem eigenen Atelier an der Rue Mouffetard bei der Place Contrescarpe und später, in den 1970er Jahren, in Berlin, dem damaligen Zentrum der deutschen Intellektuellen. Gesellschaftskritische Gedanken wurden humorvoll und bissig in zwei Büchern publiziert.

Zürich
Fehlinvestitionen und das ausschweifende Leben zwingen René und Denise Anfang der 1980er Jahre zur Neuorientierung und Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeiten. Sie entschieden sich für Zürich als Domizil und etablierten die Galerie Walu an der Rämistrasse als Ort der Begegnung für Sammler und Liebhaber der afrikanischen Kunst.

Die nächsten Jahre waren geprägt vom Wachstum und Ausbau der Räumlichkeiten. Seine unkonventionelle Geschäftsführung und seine weitsichtigen Gedanken faszinierten Freunde und Widersacher. Auf dem Höhepunkt der Aktivitäten beschäftigte René acht Personen auf 200 m2 und drei Etagen.

Mit der Rückendeckung von Denise, Claudine und Jean reiste René bei jeder sich bietenden Gelegenheit nach Afrika und überraschte die Kundschaft immer wieder mit neuen, hervorragenden Trouvaillen. Wer zum richtigen Zeitpunkt vor Ort war, wird sich gerne an das Auspacken der übergrossen Kisten aus Afrika erinnern.

Der einfallsreiche René leistete aber auch Pionierarbeit und wandte z.B. als erster der Branche alle zur Verfügung stehenden Testmethoden konsequent an und half diese weiterzuentwickeln. Er dokumentierte und zertifizierte die Gegenstände konsequent, bot ein vorbehaltloses Rückgaberecht an und ging in Sachen Kulturgüterschutz neue Wege.

Im Laufe der Jahre gab er aus eigener Überzeugung mehr als 300 Objekte im Wert von mehreren Millionen Schweizer Franken zurück nach Afrika. Die etablierten bürokratischen Institutionen auf diese Weise herauszufordern, war ihm eine sichtbare Freude. Seine Schenkungen an die Nationalmuseen von Ghana, Mali, der Côte d’Ivoire und von Nigeria stiessen aber nicht nur medial auf grosses Echo.

Auch in Afrika brachte ihm dies von allen Seiten viel Respekt und grosse Dankbarkeit. Die Republik Togo verlieh ihm 2007 den Prix de l’Indépendance als „Meilleur Défenseur du Patrimoine Culturel“ und Nigeria verlieh ihm den Status eines Beraters und Accredited Agent der National Commission for Museums and Monuments.

René nur auf den Handel mit afrikanischer Kunst zu beschränken wäre weit verfehlt. Er hat für Afrika gelebt wie kein anderer. Er war Pendler zwischen den beiden Welten, abseits von Tabus, Vorurteilen und Moral. Er hatte dank seiner Offenheit Zugang zu den innersten und geheimsten Kreisen. So wurde er bei den Asante in Ghana nach einer Prüfung als Herbalist aufgenommen, tanzte mit Voodoo-Priestern in Benin und wurde als Patron von den Ewe respektvoll Efo (grosser Bruder) genannt.

Lomé
Mit solcher Leidenschaft für das Afrikanische lag im Alter der Schritt zur Verlagerung seines Wohnsitzes nach Togo und zum Kauf eines Hauses in Lomé auf der Hand. Denise, die es eher in die geliebte Toskana zu ihrer Tochter Eva und deren Familie zog, stimmte einer harmonischen Scheidung zu. Ihre gegenseitige innige Verbundenheit sollte jedoch bis zu Ihrem Ableben im Jahr 2011 ununterbrochen weiterbestehen.

Die Galerie Walu übernahm nach über 40 intensiven Jahren 1999 der Sohn Jean.

Ruhestand blieb für René aber ein Fremdwort. In Lomé erlebte er mit Enam, einer 50 Jahre jüngeren Afrika-Händlerin, einen neuen Frühling. 2003 heirateten sie auf Zypern und führten fortan ein Leben, das für beide wohl spannender nicht hätte sein können.

Im gleichen Jahr erwarb René die Residenz des Französischen Botschafters, ein herrschaftliches Anwesen mitten in Lomé, und gründete dort, in Fortsetzung seiner in Zürich angefangenen Rückführung von Kulturgütern nach Afrika, ein Privat-Museum, das erste in Westafrika mit Exponaten aus allen Ländern Afrikas, die alle übrigens aus Europa zurückgeführt wurden.

Gleichzeitig eröffnete er für Enam die Galerie Ekoi und gönnte sich zum Spass mit 80 Jahren als Fahrzeug einen Hummer H2.

Aus gesundheitlichen Gründen verkaufte er die Liegenschaft 2011 an einen chinesischen Unternehmer, der das Museum bis heute weiterführt. René erfüllte Enam, auch im Hinblick auf ihre Zukunft, den Wunsch nach einer Landwirtschaft mit Plantagen, Hühner- und Fischzucht in Togo.

Zürich
Als Renés Zustand medizinische Pflege verlangte, kam er 2013 endgültig zurück in die Schweiz. Am 1. April 2015 starb er in Zürich und die Todesnachricht verbreitete sich in Windeseile über ganz Afrika. Die Trauer über den Verlust dieses aussergewöhnlichen Menschen ist gross und die Anteilnahme, welche die Familie in den folgenden Wochen erleben durfte, war überwältigend.

Sein Andenken wird in den zahlreichen Erzählungen über Begegnungen mit ihm hochgehalten – und jeder, der ihn kannte, wird sich sicher noch lange an René David erinnern.

Verfasst von Jean DAVID (2015)